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Kaum ein politisches Thema ist so aufgeladen wie das der Migrations- und Asylpolitik. All das vor dem Hintergrund, dass allein in diesem Jahr über 209 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer verschwunden oder gestorben sind. Dennoch wird in Politik und Gesellschaft vor allem über überlastete Kommunen und über Bezahlkarten gestritten oder Scheindebatten über Zahnarzttermine geführt. Gleichzeitig wird das gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) verschärft, Abschiebungen erleichtert, ein Flüchtlings-Deal mit Tunesien auf den Weg gebracht und die Möglichkeit von Asylverfahren in Drittstaaten, wie beispielsweise Ruanda, ins Spiel gebracht.

Von Europa bis in die Kommunen

Das Konfliktthema Migration beherrscht alle politischen Ebenen; durch Rechte und Konservative wird es instrumentalisiert und das Narrativ von „uns“ und geflüchteten Menschen, als „die Anderen“ in den Fokus gerückt. Dies führt zu Beschlüssen für deutlich restriktivere Gesetzgebungen. Die Asylrechtsverschärfungen durch GEAS bedeuten faktisch, dass das individuelle Recht auf Asyl abgeschafft und durch sogenannte Grenzverfahren ersetzt wird. Infolgedessen wird es möglich sein Migrant:innen, auch Familien mit Kindern, bis zu mehreren Monaten in haftähnlichen Lagern an den europäischen Außengrenzen festzuhalten und letztendlich anhand der Anerkennungschancen, des Herkunftslandes und Fluchtroute einen Bescheid auszustellen, ohne individuelle Gründe zu prüfen. In Deutschland haben anhaltende Forderungen der Rechten und Konservativen, die die Regierung mit ihrer migrationsfeindlichen Rhetorik vor sich hertreiben, die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber:innen bewirkt. Die konkrete Ausgestaltung kann von Ländern und Kommunen vorgenommen werden – Mecklenburg-Vorpommern möchte das Verfahren durch eine eigene Ausschreibung beschleunigen. Dabei steht bereits fest, dass die Bezahlkarte mit einer Stigmatisierung geflüchteter Menschen einhergehen wird. Wir als Grüne Jugend MV sprechen uns entschieden gegen diese diskriminierende Instrumente aus. Wir positionieren uns klar gegen Abschottung, gegen eine Festung Europa und gegen die systematische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft. Für uns ist klar, ein Europa, das sich zum Thema Migration offen und solidarisch verhält, bedeutet Willkommenskultur – auch auf kommunaler Ebene.

Nullsummenspiel und Scheindebatte

Wenn politisch über die Herausforderungen der Migration gesprochen wird, geht es in der Regel nicht um die geflüchteten Menschen und ihre Bedürfnisse. Stattdessen seien sie der Grund für fehlende soziale Infrastruktur wie Kitaplätze, denn, so die Logik: Es ist nicht genug für alle da. Diese Erzählung wird vor allem dann bemüht, wenn es darum geht, zu verschleiern, dass zuständige Regierungen bei der ausreichenden Bereitstellung der nötigen Infrastruktur versagen. Bequemerweise wird durch diese Diskussion davon abgelenkt, dass die eigentliche Frage doch lauten müsste: Wieso ist nicht genug für alle da? Wieso wird durch den Staat nicht eine Grundversorgung bereitgestellt, die für alle reicht? Wie kann es sein, dass mit Neiddebatten von dem fatalen Sparkurs der Regierung abgelenkt wird? Klar ist, dass wir dieses Spiel nicht mitspielen. Wir hinterfragen das System, welches solche Debatten überhaupt erst ermöglicht und kritisieren die Verantwortungsverschiebung. Eine starke Zivilgesellschaft ist in der Pflicht, auf diese Ungleichgewichte hinzuweisen, bis sie sich verändert haben.

Ein solidarisches Europa durch starke Kommunen

Statt uns an rechten Narrativen und Skandalisierungen abzuarbeiten, wollen wir eigene Themen setzen und die Debatte über Migration aus einer linken Perspektive führen. Zentral ist für uns dabei, die Menschlichkeit ins Zentrum von Politik zu stellen. Dazu gehört an erster Stelle die Schaffung sicherer Fluchtrouten. Dadurch würden faire Bedingungen für die Inanspruchnahme des Rechtes auf Asyl geschaffen werden, statt dass Menschen sich auf eine lebensgefährlich Flucht begeben müssen, gleichzeitig würde die Schlepperei effektiv bekämpft werden. Anschließend müssen kommunal Strukturen geschaffen werden, die sich primär an den Bedürfnisse der ankommenden Menschen orientieren und flexibel mit Herausforderungen umgehen können. Dazu zählen u.a. dezentrale Unterbringung, qualitativ hochwertige Betreuung und Minimierung von Abhängigkeitsverhältnissen, zügiger Zugang zu Sprach- und Integrationskursen sowie dem Bildungssystem, Versorgung traumatisierter Menschen, Zugang zum Arbeitsmarkt uvm. Dass das möglich ist, wenn der politische Wille da ist, hat die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten gezeigt. Grundlage dafür ist eine ausreichende finanzielle Unterstützung der Kommunen.

Gefahr von Rechts – die deutsche Nicht-Willkommenskultur

Eine weitere Konsequenz der Debatte, wie sie aktuell geführt wird, ist die Verharmlosung des Rechtsrucks in Deutschland. Trotz der Demonstrationen gegen Rechts werden rechte Inhalte salonfähig und strukturelle Gewalt als Einzelfälle abgetan. Forderungen, die vormals nur von NPD und AfD vertreten wurden, haben es – so weit nicht überraschend – in die Programme konservativer Parteien geschafft. In Mecklenburg-Vorpommern wird das Kirchenasyl gebrochen, Abschiebungen in die iranische Diktatur gehen weiter, die Bundesregierung stimmt GEAS zu: Rechte Politik braucht keine rechte Regierung und wird auch von der Grünen Partei mitgetragen.

Dieser tief verankerte Rassismus und bürokratische Kälte legen Menschen, die bei uns ankommen, Stein um Stein in den Weg. Angesichts der Tatsache, dass die weltweite Migration mit den Folgen der Klimakrise weiter zunehmen wird, ist ein grundsätzliches Umdenken notwendig. Statt den Rechtsruck weiter zu befeuern und die Schwächsten der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen, darf nicht an Sozialleistungen gespart werden und muss auf Umverteilung gesetzt werden.

Auf dem Weg zu einer Gesellschaft, einem Land, einer EU wie wir sie uns vorstellen, ist noch viel zu tun. Wir als Grüne Jugend Mecklenburg-Vorpommern setzen uns für eine radikale Änderung im Diskurs über Migration ein, indem wir öffentlichkeitswirksam die Zusammenhänge aufdecken: Nicht Migrant:innen spalten unsere Gesellschaft, sondern rechte Hetze. Wir kämpfen für eine Welt in der wir Menschen schützen, nicht Grenzen.

Begründung

Die politische Debatte zu den Themen Asyl und Migration ist seit Jahren aufgeheizt und erlebt im Moment einen erneuten Höhepunkt. Daher widmen wir uns der Debatte auf unserer Landesmitgliederversammlung und möchten mit dem Leitantrag unsere Position zum Ausdruck bringen.